Die Malerei Annika Heines lebt von Kontrasten. Ganz formal erlebt der Betrachter diese auf der Ebene intensiver Licht und Schattenverhältnisse. In den Arbeiten begegnen sich grober, dynamischer Pinselduktus und filigran ausgearbeitete Details wie ein exaktes Stoffmuster oder der genaue metallische Glanz einer Kaugummiklappe. Opake, farbintensive Flächen treffen hier auf lasierte Transparenzen. Auch die Technik der Collage, die Materialien wie Foto oder Holz der Malerei entgegensetzen, dient der Künstlerin immer wieder dazu, diese Gegensätze zu betonen. Hinzu kommen gezielte Auslassungen auf der Leinwand, die vom Betrachter zu füllende Leerstellen erzeugen.
Die formalen Dualitäten finden ihre Entsprechungen auch auf inhaltlicher Ebene. So sind die Themen, aus denen Annika Heine ihre Inspiration schöpft, solche starker Gegensätze. Die widersprüchlichen Charakterzüge des Menschen beispielsweise werfen zu behandelnde Fragen für die Künstlerin auf: Was fasziniert mich an einem Menschen, was wirkt zugleich jedoch vollkommen abstoßend auf mich? Heuchelei oder Manipulierbarkeit als gesellschaftliche Phänomene können so Aspekte sein, die Ausgangspunkte für den Schaffensprozess sind. Hier spielt auch das Abhängigkeits- und Manipulationsverhalten der Geschlechter eine Rolle, das Heine in Arbeiten wie „Scheinheilig“ aufnimmt.
Die Künstlerin bedient sich dabei ganz bewusst genreübergreifender Elemente. Jugendstilästhetik wird dort mit Streetart-Komponenten gepaart ohne einen störenden Bruch zu erzeugen. Bei all den Kontrasten ist für Heine schließlich das immer wieder auftauchende Thema die Frage von Vergänglichkeit und Beständigkeit, von Respekt und Wertschätzung des Alten.
In ihrer aktuellen Serie „Outils/Werkzeuge“ tritt dieser Aspekt wohl am deutlichsten zu Tage. Die dargestellten Objekte wirken mächtig, stark, erhaben aber zugleich kostbar und von einer rauen Schönheit. Bei deren einfacher Wertschätzung bleibt es gedanklich jedoch nicht: Der Betrachter gerät vielmehr unweigerlich in eine Assoziationskette zur Geschichte jedes einzelnen dieser Werkzeuge, welche Hände es benutzten, was sie letztlich erarbeiteten.
Das rostige „alte Eisen“ auf der unbehandelten Leinwand und dessen individuelle Bedeutung; Auch hier ist es das Spiel mit den Kontrasten, das Heines Arbeiten so reizvoll macht.
Die artothek freut sich, eine Auswahl von Werken aus den Jahren 2010 – 2013 im Programm präsentieren zu dürfen.
Detail "Couple", 2012, 120x120cm
Scheinheilig, 2012, 100x70cmcm
Pince, 2013, 120x40cm. Aus der Serie “Outils/ Werkzeuge“